BVerwG, Urteil v. 25.10.2017 – 6 C 45.16; 6 C 46.16
Tornado-Tiefflug über Demonstranten Camp
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Der Überflug eines Demonstranten Camps im Vorfeld des G8-Gipfels von einem Kampfflugzeug der Bundeswehr stellt nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgericht einen faktischen Eingriff in die Versammlungsfreiheit der Kläger. Denn dieses Grundrecht sei nicht auf den Zeitraum der Durchführung der Versammlung begrenzt, sondern entfaltet seine Wirkung bereits im Vorfeld.
Vor Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2007 wurden vom Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bundesverteidigungsministerium im Wege der Amtshilfe Überflüge und damit verbundene Luftbildaufnahmen der betreffenden Region beantragt. Ziel war es mögliche Erddepots oder Manipulationen an Straßenzügen zu erkennen.
Gegner des Gipfeltreffens hatten in der Gemeinde Reddelich ein Camp für die Unterbringung von bis zu 5000 Personen organisiert. Dieses wurde am 05.06.2007 von einem Kampfflugzeug der Bundeswehr vom Typ Tornado in einer Höhe von etwa 114 Metern überflogen. Die dabei aufgenommenen Luftbildaufnahmen zeigten zum Teil das Camp sowie dort zu jenem Zeitpunkt befindliche Personengruppen.
Das BVerwG sah darin zwar keinen zielgerichteten, dennoch einen faktischen Eingriff in die Versammlungsfreiheit der Kläger aus Art. 8 GG. Dessen Wirkung entfalte sich nämlich auch bereits in der Zeit vor Veranstaltungsbeginn.
Ein faktischer Eingriff sei bereits dann gegeben, wenn von dem staatlichen Handeln eine einschüchternde oder abschreckende Wirkung ausgeht oder es generell geeignet ist, einen Einfluss auf die Willensbildung und Entschließungsfreiheit, der an der zukünftigen Veranstaltung teilnehmenden Personen haben kann. Zu beurteilen sei dies mittels einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, wobei ein rein objektiver Maßstab anzulegen sei. Dem Überflug des Kampflugzeuges in Höhe von nur 114 Metern sei aus der Sicht eines durchschnittlichen Betroffenen aufgrund extremen Lärms und dem angsteinflößenden Anblick sowie dem Überraschungseffekt im Hinblick auf die Vorbereitung der Demonstrationen gegen den anstehenden G8-Gipfel einschüchternde Wirkung zuzusprechen.
Eine Rechtswidrigkeit der Maßnahme sei nicht festzustellen. Ob sie jedoch unter Bezugnahme auf das Landespolizeirecht als Gefahrerforschungsmaßnahme auch gerechtfertigt ist und dabei insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht wird, sei für das BVerwG mittels der Tatsachenfeststellung des OVG nicht endgültig feststellbar, sodass eine Rückverweisung an das OVG Greifswald erfolgte.