Verdachtsberichterstattung – Was ist überhaupt erlaubt?

Verdachtsberichterstattung - Was ist überhaupt erlaubt?

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In dem mittlerweile eingestellten Strafverfahren gegen Till Lindemann und den in diesem Zusammenhang veröffentlichten Medienberichten des Spiegels ergingen mehrere einstweilige Verfügungen. Zunächst war dem Spiegel im Eilverfahren verboten worden über den Verdacht Till Lindemann habe Frauen bei Konzerten mit K.O.-Tropfen betäubt, um sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können, zu berichten. Zuletzt ging der Spiegel seinerseits erfolgreich gegen eine Presseerklärung von Lindemanns Anwälten vor.

Auch der Comedian Luke Mockridge hat in diese Jahr eine einstweilige Verfügungen gegen den im Jahr 2021 erschienenen Artikel „Die Akte Mockridge“ erwirkt. In diesem berichtete der Spiegel nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Mockridge durch die Staatsanwaltschaft Köln und den angeblichen Versuch Mockridges seine damalige Freundin zu vergewaltigen.

 

Verdachtsberichterstattung – Gradwanderung des Zulässigen

Es handelt sich hierbei offensichtlich nicht um Einzelfälle. Denn gerade im Bereich der zulässigen Verdachtsberichterstattung existieren strenge Grenzen, da sie immer mit einer erheblichen Prangerwirkung verbunden ist. Denn was einmal in die Köpfe der Öffentlichkeit gelangt ist, wird immer dort hängen bleiben. Selbst wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, oder sogar ein Freispruch ergeht, ist dennoch eine Rufschädigung auf Seiten des Betroffenen zu verzeichnen.

Nichtsdestotrotz ist auch zu berücksichtigen, dass die Öffentlichkeit ein Informationsinteresse hat, welches durch eine prominente Stellung des Betroffenen regelmäßig noch erhöht wird.

Somit bedarf es einer besonders sorgfältigen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Die Rechtsprechung hat sich bereits mehrfach mit den Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung auseinandergesetzt. Und hierfür einige Anforderungen herausgebildet.

Art und Schwere der Tat

Eine Berichterstattung, die etwa durch die Nennung des Namens, die Identität des Verdächtigten erkennbar macht, ist nur dann zulässig, wenn es sich um eine Tat bzw. einen Tatverdacht im Bereich der schweren Kriminalität handelt und von dementsprechender erheblicher Bedeutung ist.
Taten wie beispielsweise Mord, Raub Entführung, Vergewaltigung sowie Serieneinbrüche und signifikante Wirtschaftsstraftaten werden diese Voraussetzungen regelmäßig erfüllen.

Sorgfältige Recherche

Aufgrund der erheblichen Prangerwirkung für den Betroffenen ist zum Schutz seiner Rechte und Interessen ein gesteigerter journalistischer Sorgfaltsmaßstab anzulegen.

Im zeitlichen Stadium einer Verdachtsberichterstattung steht der Wahrheitsgehalt der verfügbaren Informationen zwar meist noch nicht mit Sicherheit fest. Da der Kern des Berichts allerdings die Darstellung eines Verdachts ist, muss sich dieser gerade nicht auf solche Inforationen beschränken, die bereits unzweifelhaft als wahr feststellbar sind. Sollte die die Unwahrheit der getätigten Darstellung später erst herausstellen, ist die Darstellung zumindest Äußerungszeitpunkt als rechtmäßig anzusehen, so dass Ansprüche auf Widerruf oder Schadensersatz des Betroffenen nicht bestehen.

Allerdings sind ernsthafte Bemühungen zu unternehmen, um den Wahrheitsgehalt der betreffenden Informationen aufzuklären. So genügt es nicht sich bei schwerwiegenden Anschuldigungen auf Zeugen vom Hörensagen zu verlassen, ohne an unmittelbare Zeugen für die Wahrheitsfindung heranzutreten. In dem Zusammenhang müssen nicht alle Personen befragt werde, die relevante Auskünfte zu dem Verdacht äußern können. Es kann bereits genügen beispielsweise zwei von drei hierfür in Betracht kommende Personen zu befragen.

In Fällen, in denen Ermittlungen der Polizei oder der Staatsanwaltschaft bereits einen Verdacht ergeben haben, soll das Presseorgan nach Auffassung des OLG Hamburg von eigenen Recherchen absehen dürfen, da die Äußerungen amtlicher Stellen ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werden darf.

Recherchierte Beweistatsachen

Im Rahmen der vorgelagerten Recherche ist ein Mindestbestand an Tatsachen zusammenzutragen, der den Tatverdacht rechtfertigt. Aus diesen müssen sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, die eine Täterschaft begründen können. Dabei gilt, je schwerer die Tat ist und auch die mit der Berichterstattung wahrscheinlich einhergehende Beeinträchtigung des Ansehens des Betroffenen, desto höher sind die Anforderungen an jene, den Verdacht begründenden, Anhaltspunkte.

Neutralität

Ein weiterer Aspekt, der sich unter von der Unschuldsvermutung stützen lässt, ist die erforderliche Neutralität und der Berichterstattung. Eine Vorverurteilung des Betroffenen ist genauso wie die Erweckung des Eindrucks, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Tat bereits überführt hat zu unterbleiben. Auch von reißerischen Überschriften, die das Interesse der Leser wecken sollen (sog. Clickbait) sollte daher abgesehen werden. Gleiches gilt für eine bewusst einseitige Darstellung zulasten des Betroffenen.

Möglichkeit der Stellungnahme

Vor der Veröffentlichung sollte dem Betroffenen unbedingt die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Neben dem Umstand der Einhaltung einer gewissen Fairness kann die Presse dadurch zugleich das eigene Haftungsrisiko vermindern. Denn gerade in Fällen der Verdachtsberichterstattung machen Betroffenen nach der Veröffentlichung nicht selten Ansprüche gegen den jeweiligen Verlag geltend.